Wir können nicht sagen, man habe uns nicht gewarnt. Freunde und Freundinnen die im Vorfeld wussten, wie ertragreich es nach aller Voraussicht sein würde, sich an der ‚antifaschistischen‘ Mobilisierung gegen den Al-Quds-Tag zu beteiligen, prognostizierten von Anfang an, dass man nicht in der Lage sein würde die Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten, ohne nicht akzeptierbare Zugeständnisse machen zu müssen.
Das Bündnis entschied sich nun erwartungsgemäß dagegen, unseren Redebeitrag im Rahmen der Proteste verlesen zu lassen. Da der Redebeitrag selbst genau dieses Versagen und seine Gründe adäquat benennt, soll er im Anschluss dokumentiert werden.
Hier findet sich darüber hinaus unser Flyer, der auf der Antifa-Kundgebung verteilt wurde, sowie ein weiterer Flyer der HUmmel-Antifa.
Schönen guten Tag euch allen, trotz der bedauerlichen Umstände.
Ich spreche hier für die Association Antiallemande Berlin und wir sind sehr dankbar, dass wir heute hier reden können und das, obwohl man ja weiß, dass wir so unangenehme Angewohnheiten haben wie die, im Haus des Henkers am liebsten vom Strick zu reden.
Wir halten das für dringend notwendig in Anbetracht all dessen, was in den letzten Tagen geschah. Wir erinnern uns: ein Antisemitenmob zieht durch Berlin und brüllt Parolen gegen feige Judenschweine heraus. In der Berliner Al-Nur Moschee ruft ein Imam zum Mord an den Juden auf. In Paris brennt ein jüdisches Viertel. In Essen werden 14 Menschen vorläufig festgenommen, vermutlich weil sie einen Anschlag auf eine Synagoge planten. Überall in Deutschland ist die Polizei zu gering besetzt, zu schlecht ausgestattet und von der antifaschistischen Gegenmobilisierung wollen wir erst einmal gar nicht reden. In Göttingen war sichtbar was passiert, wenn die Polizei nicht unseren Schutz gewährleistet: Verletzte, Krankenhausaufenthalte, größte körperliche Gefahr.
In diesem Sinne danken wir an dieser Stelle einmal den Beamten die heute hier sind dafür, dass sie das Ärgste hoffentlich auch heute wieder verhindern werden und ihren Kopf dafür hinhalten, dass die Mindestbedingungen der Zivilisation und Kritik aufrechterhalten werden.
Soweit ist es gekommen mit der antifaschistischen Aktion.
Und das ist nicht nur ein Skandal, sondern auch ein Mangel: Wo die antifaschistische Gegenmobilisierung fehlschlägt, braucht man sich keinerlei Illusionen darüber zu machen, dass der deutsche Staat in der Lage oder willens wäre, mehr als absolute Mindeststandards aufrecht zu erhalten. Am Montag veröffentlichte die Bundesregierung eine Erklärung, trotz mehrfacher gewalttätiger und gefährlicher Übergriffe gäbe es keine Notwendigkeit für eine neue Einschätzung der Sicherheitslage. Im Klartext: Jüdische Menschen oder solche, die man dafür hält, bleiben in der Gefahr, in der sie sich in den letzten Tagen und Wochen befanden. Und wir haben als Antifaschistinnen und Antifaschisten weder die Ressourcen noch die Vorbereitung, eigenständig zu intervenieren.
Und trotzdem wurde für heute mit einem Flyer mobilisiert, der zu drei Vierteln auf die Friedensdemos und Mahnwachen eingeht – mithin auf ungemütliche und unschöne Veranstaltungen von Irren, gegen die man aber immerhin vorgehen kann, ohne dafür seinen Kopf zu riskieren. Mit anderen Worten: Man sucht sich das harmloseste mögliche Ziel aus und beweist sich daran, dass man noch zu etwas in der Lage ist.
Sehen wir aber den Tatsachen ins Auge: Wir sind faktisch bewegungsunfähig. Und das nicht zuletzt deshalb, weil große Teile der Linken immer noch lieber mit dem Mob gemeinsam auf israelkritische Judenhatz gehen, anstatt endlich und ein für alle Mal einzusehen, dass Antisemitismus und Antizionismus absolut deckungsgleich sind. Damit muss nun, wo man sich nicht einmal mehr die Mühe macht, den Judenhass zu verbergen, allerspätestens Schluss sein.
Die Demonstration in Essen, von der erhebliche Gefahr für Antifaschistinnen und Antifaschisten, gar nicht zu reden von Jüdinnen und Juden ausging, wurde organisiert von der Jugendgruppe der Linkspartei, die Linksjugend Solid Ruhr. Das ist absolut untragbar, da kann es keine Diskussion mehr geben. Nun hat diese Partei auch einen Flügel, der sich israelsolidarisch nennt und mehr sein will als ein Feigenblatt: die Landesarbeitskreise Shalom und der BAK Shalom.
Jetzt wäre es an der Zeit sich zu beweisen: Wenn dieser Flügel mehr ist als eine miese Entschuldigung für den Judenhass in der Linken, dann müsste es ihnen zumindest gelingen, für eine gewalttätige, antisemitische Demonstration Köpfe rollen zu lassen. Im Klartext: Die Linksjugend Solid Ruhr hat geschlossen aus dieser Partei zu fliegen oder aber die Israelsolidarischen haben freiwillig zu gehen, weil das endgültig der Beweis wäre, dass sie noch nicht einmal in der Lage sind, das absolute Minimum dessen zu gewährleisten, wozu sie in dieser Partei sind – das ist eine absolute Mindestforderung. Sollen sie ihre Abgeordneten nach Gaza schippern lassen – spätestens wenn Verbände der eigenen Partei ohne schlechtes Gewissen Synagogenstürmungen mitorganisieren und es dafür keine Ausschlussverfahren hagelt, ist es an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen.
Weiterhin: wer glaubt, er könne sich an Elsässer und Konsorten abarbeiten – unappetitlich wie sie auch immer sein mögen – und dabei über den politischen und organisierten Islam schweigen, von dem – sei es in sunnitischer oder schiitischer Spielart – ein Gros der Gewalt der letzten Wochen ausging, der kann seinen Antifaschismus einpacken und nach Hause gehen, das ist nicht weiter schlimm, das haben unsere Eltern auch schon alle so gemacht und er sieht auch ganz hübsch aus im Bücherregal zwischen Walser, Böll und Grass.
Wem es aber ernst ist damit, den antisemitischen Mobs zu begegnen, der wird darüber reden MÜSSEN, was in der Al-Nur Moschee gepredigt wird – der wird darüber reden MÜSSEN, wie und warum die muslimischen Communities sich zunehmend radikalisieren und der wird nicht zuletzt endlich sich eine materialistische und rückhaltlose Islamkritik aneignen MÜSSEN.
Nun mag es den Empfindlichkeiten deutscher Jungantifaschisten nicht besonders liegen, hier vom Islam zu reden, statt von „islamischen Identitätsmarkern“, dem „Islamismus“ oder „muslimischem Extremismus“, aber dagegen sei daran erinnert, dass sich der Islam zum Islamismus verhält wie der Patriotismus zum Nationalismus und dass man zurecht seit Jahren all jene Bürgerlichen auslacht, die gegen den Nationalismus reden wollen, aber über die Nation schweigen.
Das nämlich sind Distinktionen, die man sich ohnehin nur im linken Zentrum und dem Akademikerghetto leisten kann: Soll doch niemand glauben, das Christentum sei von Thomas von Aquin und Hildegard von Bingen domestiziert worden, statt von den Atheisten, Voltaire, Nietzsche und der Aufklärung schlechthin. Nicht nur, dass diese Mobs eine erhebliche Gefahr für unser Wohlergehen und das unserer jüdischen Mitbürger darstellen: die global am deutlichsten Leidtragenden des organisierten Islam sind und bleiben Muslime – zumindest solange die IDF gewährleisten kann, dass die Vernichtungsdrohungen gegen den Judenstaat nicht wahrgemacht werden. Wie die Verhältnisse dort aussehen, wo der Islam des zwanzigsten Jahrhunderts sich als Elendsverwaltungsideologie etablierte, dazu sagte ja bereits die Genossin von Stop the Bomb einiges.
Daher: hört endlich auf, auf die Banalität hinzuweisen, dass der Islam nicht zu allen Zeiten so war und nicht für alle Zeiten so bleiben muss, wie er jetzt ist. Setzt euch mit den Ex-Muslimen zusammen, mit den iranischen Emigranten, mit arabischen Exilanten und Atheisten, mit Leuten wie Fathiyeh Naghibzadeh und Maikel Nabil Sanad und greift ihnen unter die Arme, statt zum hundertsten Mal irgendwelche moderaten Kronzeugen zu suchen: Diese Leute wissen, was die Probleme sind, wissen, inwiefern der Islam als Herrschaftsideologie funktioniert und wissen, welche Beziehungen oder Distinktionen es zwischen muslimischer Alltagsideologie und dem gefährlicheren Islamismus gibt.
Wer dazu nicht in der Lage oder nicht willens ist, wer nicht bereit ist, sich langfristig gegen die Radikalisierung und Fanatisierung junger Muslime einzusetzen – und ein erster Schritt dazu wäre es, die Al-Nur Moschee, dieses verkappte Nazibildungszentrum, zu schließen – der darf sich schon mal mental darauf vorbereiten, dass seine nächste antifaschistische Kampagne darin bestehen wird, für bessere Helme für die Polizei und den Einsatz von mehr Hundertschaften bei Demonstrationen zu protestieren.
Materialistische Kritik, das wusste einer wie Adorno noch, besitzt einen objektiven Begriff vom Glück und einen objektiven Begriff von Leid: Das ist in Anschlag zu bringen, wenn sich dieser Tage deutsche Staatsbürger im Irak in die Luft sprengen. Während sich der gute Liberale da denkt: „Jeder wie’s ihm gefällt“ und „Solang er’s nicht vor meiner Nase tut“, ist es Aufgabe von Kommunisten klarzustellen, dass diese Menschen ebenso darunter leiden und man sie beizeiten vor ihrer eigenen Ideologie retten muss. Das heißt: Klar auszusprechen, dass die Lustfeindlichkeit und Restriktionen des Mehrheitsislam das Klima bilden, in dem solche Todesliebe gedeiht.
Wer glaubt, dass dergleichen nicht notwendigerweise und begrifflich zum Islam gehört, der mag recht haben – nur gälte es, das den Muslimen mitzuteilen, statt sich im linksliberalen Feuilleton darüber zu verständigen. Wer also das dringende Bedürfnis hat, in die Al-Nur Moschee zu gehen und dem Imam zu erklären, er habe keine Ahnung vom Islam, dem ist das sicherlich freigestellt: Wir raten davon ab, möchten aber auch Reisende nicht aufhalten.
Die antifaschistische Prävention hat versagt, das ist dieser Tage schmerzlich sichtbar. Antifaschistischer Schutz kann niemandem garantiert werden, ganz im Gegenteil, müssen wir uns schützen lassen. Wer nicht möchte, dass sich diese Zustände ad calendas graecas fortsetzen, der wird einsehen müssen, dass es nicht mehr reicht, tausende gegen den Steinar-Store zu mobilisieren und die ideologischen Dreckschleudern des Islamismus, von Al-Nur Moschee bis Süddeutsche, von Compact Magazin bis Linksjugend Solid Ruhr, von Milli Görüs bis IGD unbehelligt zu lassen.
Der Glaube, dass arabische, türkische oder iranische junge Menschen auf den Islam und seine Restriktionen verpflichtet seien, ist dem deutschen Spießbürger zu überlassen, der sich noch nie anders zu helfen wusste, als durch immer neue Abschiebungsrufe. Rückhaltlose und kompromisslose Aufklärung ist das Gebot der Stunde. Und das heißt, nicht im autonomen Zentrum, sondern auf den Schulhöfen, in den Neuköllner Straßen und anderswo. Verbündete gibt es genug, wenn man sich einmal die Mühe macht, nach ihnen zu schauen: Die Green Party of Iran, die Ex-Muslime und dutzende andere, die für ihre Freiheit und ihre Rechte kämpfen, freuen sich über eure Hilfe. Den Paternalismus antifaschistischer Sozialarbeiter haben die Jungmuslime in der Vergangenheit nicht gebraucht und sie brauchen ihn auch jetzt nicht.
Es gilt einzusehen, dass es sich bei diesen Menschen um politische Subjekte handelt, die genauso mit Vernunft und Kritik angesprochen werden können wie andere Menschen auch: Es muss Schluss sein mit dem Paternalismus, Schluss damit, dass hier nicht Klartext gesprochen wird. Und es muss jedem, der heute hier ist, klar sein: Wenn ihr es nicht tut, dann wird es keiner tun. Der deutschen Politik sind die Bildung von Parallelgesellschaften, die selbstgewählte Marginalisierung und die Bildung von radikalen islamistischen Ghettos scheißegal. Man wartet, bis es zu spät ist und organisiert dann Abschiebungen, während der Rest dieser Communities weiter verelendet und noch ärgeres hervorbringt. In dieser Krise dieser Tage ist es für uns zu spät, Prävention zu leisten. Solche Versäumnisse darf es in der Zukunft nicht mehr geben.
Wer vom Antisemitismus in Deutschland redet und von der Al Nur Moschee schweigt, hilft mit zu perpetuieren, was uns heute entgegen schlägt. Gegen den Al Quds Tag, gegen jeden Antisemitismus – und das nicht nur heute, sondern das ganze Jahr über.
Am Israel Chai!